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Neues vom Netzwerk

Oktober im Netzwerk Klimajournalismus: Tausend Abos, ein grünes Stadtmagazin und eine Billion Euro an Ölkonzerne

Liebe Leser:innen,

herzlich willkommen an alle, die neu dabei sind. Diesen Newsletter bekommen mittlerweile mehr als 1.000 Journos und Medienschaffende, und das freut uns wirklich sehr! Bevor wir starten, muss ich euch fragen: Ist euch auch so warm? So schön der Spätsommer auch ist, so war dieser September ein Rekordanwärter und das im negativen Sinne: die schweißtreibenden Temperaturen des wärmsten Septembers in der österreichischen Messgeschichte und die zahlreichen Unwetterkatastrophen, die damit einhergehen.

Mitte September haben die überwältigenden Fluten Libyen in einen Ausnahmezustand versetzt, Tausende Tote, Tausende Vertriebene und etliche Vermisste. Laut einer Studie der World Weather Attribution könnte der Klimawandel die Regenfälle über diesem Gebiet um bis zu 50 (!) Prozent verstärkt haben. Auf der anderen Seite der Welt fordert Starkregen das Abwassersystem New Yorks heraus, verwandelt Autobahnen und Straßen in seeartige Landschaften. Währenddessen sind Brit:innen besorgt, weil der typisch englische Regen seltener fällt als früher und die trockenen Sommer führen zu einem großen Wassermangel auf dem Inselstaat.

Wenn wir über die Klimakrise sprechen, dann oft in Katastrophenbildern, so wie ich gerade eben. Das überfordert sowohl emotional als auch kognitiv. Das kennen wir alle und aus diesem Grund ist gute Berichterstattung so relevant. Was meine ich mit „gut“? Die Ursachen und Zusammenhänge der doch sehr komplexen klimatischen Phänomene erklären (faktenbasiert versteht sich) und das am besten so, dass sie auch wirklich alle verstehen. Einige davon haben wir für euch gefunden und eingeordnet:

TOP

Meteorologe Karsten Schwanke erklärt in zwei Minuten die Wetterextreme in Libyen

ARD-Meteorologe Karsten Schwanke erklärt in einem zweiminütigen Video, wie es zu den verheerenden Fluten in Libyen Mitte September kam. Das Sturmtief „Daniel“ zog mit der kälteren Luft aus den skandinavischen Ländern über den Balkan bis hinunter an das viel zu warme Mittelmeer. Die hohe Luftfeuchtigkeit, steigende Meerestemperatur und das Sturmtief sind ein Cocktail für Wetterkatastrophen. Meteorologe Schwanke erklärt ohne Fachjargon und in einfacher Sprache, wie es dazu kam, dass stellenweise dreimal so viel Regen fiel wie im Jahr 2021 bei der Hochwasserkatastrophe im deutschen Ahrtal. Abschließend appelliert Schwanke für schärfere Klimaschutzmaßnahmen – und zwar schnell, denn was wir heute als extrem empfinden, wird in zehn Jahren das neue „Normal“ sein.

Grüne Ausgabe der Grazer Straßenzeitung Megaphon

Die Grazer Straßenzeitung „Megaphon“ veröffentlicht zum zweiten Mal ihre grüne Ausgabe. Diese wurde von 24 Studierenden der FH Joanneum erstellt und widmet sich breit Themen der Klimakrise – darunter dem Zustand unserer Flüsse, die zunehmende Bodenversiegelung und die verschwindende Biodiversität. Beispiele werden aus der Steiermark und auch aus ganz Europa gebracht. Das Magazin schafft den Spagat zwischen Lokaljournalismus und internationaler Bühne, indem es Initiativen wie 1,5 Graz eine Plattform „für ein klimagerechtes und soziales Graz“ gibt, und gleichzeitig gesellschaftskritisch über die Lebenserwartung in Ländern wie Tschad, Bolivien und Rumänien berichtet. Wer das Heft nicht hat, kann die September-Ausgabe hier nachlesen. Noch eine Empfehlung: Schaut beim „Markt der Zukunft (MDZ), dem Grazer Klimakulturfestival, zwischen 6. und 8. Oktober vorbei.

Die grüne Ausgabe des Grazer Stadtmagazins "Megaphon". Screenshot.
Wer die grüne Ausgabe des Grazer “Megaphon” nicht gelesen hat, kann die September-Ausgabe hier nachlesen.

FLOP

Fernsehpreisgewinner äußert sich zu Klimaaktion, Sat.1 schneidet es raus

Vor einer Woche bekam der Schauspieler Philip Froissant für seine Rolle in der Sissi-Serie den Deutschen Fernsehpreis verliehen. Laut Medienberichten erwähnte der 29-jährige während seiner Dankesrede die jüngste Protestaktion der deutschen Klimabewegung, bei der sie orange Farbe auf das Brandenburger Tor gesprüht hatten. Die Aktion wurde stark kritisiert, weil die Beseitigung der Farbspuren Kosten im fünf- bis sechsstelligen Bereich verursachen könnten. Wider der Kritik spricht sich Froissant für die Aktion aus und plädiert dafür, die Farbe auf dem Berliner Wahrzeichen beizubehalten – “als Erinnerung an unser Versagen beim Klimaschutz”. Aber eben dieser Teil seiner Rede wurde vom übertragenden Fernsehsender Sat.1 rausgeschnitten. Auf Nachfrage der “Bild” sei die Ausstrahlung in den Verzug geraten und musste um ungefähr 60 Minuten gekürzt werden. Warum genau dieser Teil seiner Rede nicht ausgestrahlt wurde, beantwortete der Sender nicht.

Das wirft die Frage auf, warum Medien keinen offenen Diskurs darüber führen, wie wir mit Berichterstattung über Protest oder zivilen Ungehorsam besser umgehen könnten. Etwa, ob sie pro/contra-Debatten offen ausführen. Beim Sender Sat.1 fehlte die Transparenz im Umgang mit Kritik oder Lob zu Protestaktionen und genau das schadet der Medienbranche am meisten.

Und sonst so? – Aktuelle Fakten, Events und Initiativen

TERMINE:
  • Seit 21. September veranstaltet Journalismfund Europe wöchentlich insgesamt 7 kostenlose Webinare für eine bessere Umweltberichterstattung.
  • Am 07. Oktober (14.00 Uhr) trifft sich ihn Wien die Musikbranche zu zwei Vorträgen und einer Diskussion, um über ihre Rolle in der Klimakrise zu sprechen. Durch den Abend moderiert Netzwerk-Sprecherin Verena Mischitz.
  • Am 08. Oktober (20.00 Uhr) bringt das IIASA Institut unter Regie von Gloria Benedikt Klimaforschung auf die Bühne, im Muth, 1020 Wien.
  • Am 10. und 24. Oktober erklären Katharina Mau und Leonie Sontheimer im Webseminar, wie du über den Weltklimagipfel in Dubai berichten und dabei das Globale mit dem Lokalen verknüpfen kannst. Teilnahmepauschale: 60 €. Außerdem könnt ihr die beiden am 27. Oktober (12.00 – 13.00 Uhr, online) bei den Freischreibern kennenlernen. Thema: “Klimajournalismus – ist das was für mich?”
  • Am 12. Oktober veranstalten klimaaktiv und das fjum ein Webinar mit Günter Pilch (Kleine Zeitung) und Josef Kleinrath (Kurier) zum Thema “Regionale Klimastorys – nah dran und mittendrin!”
  • Am 17. Oktober (19.00 Uhr im brick-15, Wien) moderiert Netzwerk-Mitgründerin Katharina Kropshofer die Buchpräsentation von “Für Pessimismus ist es zu spät” der Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb.
  • Am 18. Oktober organisiert klimaaktiv im Rahmen des “Crashkurs Klim & Energie” eine Exkursion für Medienschaffende zur Großwärmepumpe in Simmering.
  • Von 10. bis 11. November findet in Wien die Climate Arena Journalism Konferenz statt. Neben vielen international bekannten Klimajournos sind auch wir auf einem Panel vertreten. Schaut vorbei!
RESSOURCEN:
  • Das klimadashboard bereitet Klimadaten nun auch für Deutschland auf.
  • Die französische Presseagentur AFP bietet einen 45-minütigen Online-Kurs zum Thema “Verifying climate claims” an.
  • Die erste Staffel unserer 5vor12 Klima-Briefings ist eingetütet. Ihr könnt unsere Learnings aus den 6 Briefings hier nachlesen. Im Frühjahr 2024 geht es hoffentlich weiter. Wenn ihr uns unterstützen möchtet, füllt gerne diese Umfrage aus, erzählt in euren Redaktionen davon und ihr könnt unsere Arbeit auch gerne über diesen Link mit einer Spende unterstützen.
SCHON GESEHEN?
  • Jeden zweiten Donnerstag spricht das Klima-Team der Frankfurter Rundschau im neuen Podcast “Kipp und klar” über drängende Zukunftsfragen.
  • Vor kurzem ist der Sonderbericht “Strukturen für ein klimafreundliches Leben” der österreichischen Forschungscommunity APCC erschienen. Mitautor und Sozialökonom Andreas Novy erzählt im Falter-Interview, warum wir mehr auf die Strukturen als auf individuelle Verantwortung schauen sollten.
ÜBER KLIMAJOURNALISMUS:
  • Sara Schurmann, Mitgründerin des Netzwerk Klimajournalismus Deutschland, liefert in der grünen Ausgabe des Branchenmediums “journalist” 5 Tipps, um Klima als Dimension sichtbar zu machen – und in der taz gibt es 7 Tipps für Redaktionen von ihr.
JOBS, STIPENDIEN UND PREISE:
AUS DEM NETZWERK:
  • Die FH Joanneum in Graz bietet ab Herbst einen neuen Lehrgang für Klimajournalismus, an dem auch Vorstandsmitglied Lukas Bayer beteiligt ist. Details dazu in diesem Artikel in der Presse.
  • Mitte September hat DorfTV den Klima-Kodex unterzeichnet. Damit ist es eines von über 20 Medien, die sich in Österreich zu einer angemessenen, klaren und konstruktiven Klimaberichterstattung bekennen. Ihr wollt auch den Kodex unterzeichnen? Hit us up!
  • Das Frauennetzwerk Medien hat den diesjährigen Jungjournalistinnenpreis an unser Vereinsmitglied Clara Porák für ihre herausragende Arbeit in der Gründung und Geschäftsführung des inklusiven Onlinemagazins „andererseits“ vergeben.

Bis zum nächsten Mal,
Mona


Zahl des Monats: 1 Billion Euro 

…an Anleihen haben Banken seit der Unterzeichnung der Pariser Klimaziele an Unternehmen vergeben, die ihr Geld mit fossilen Brennstoffen verdienen – darunter auch die Raiffeisenbank International und die Erste Bank. Das zeigt eine europaweite Recherche von Medien wie Follow the Money, Guardian, Le Monde und Der Standard. Wenn ihr Zugriff auf die Rohdaten haben möchtet, meldet euch gerne bei tom.bolsius@ftm.nl (Follow the Money). Mehr über das Rechercheprojekt erfährt ihr hier.