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Barbara Trionfi: “Klimajournalist:innen sind die ersten, die in der Krise entlassen werden”

Wer über die Klimakrise berichtet, ist besonderen Gefahren ausgesetzt. Welche das sind und was man dagegen tun kann, erzählt die Medienexpertin Barbara Trionfi im Interview. Sie hat im Februar 2024 gemeinsam mit Lépold Salzenstein den Bericht “Climate and Environmental Journalism Under Fire” veröffentlicht. Zuvor war Trionfi Geschäftsführerin des International Press Institute.

Frau Trionfi, in eurem Bericht habt ihr euch die Gefahren für unabhängigen Journalismus zu Klima- und Umweltthemen angeschaut. Welche sind das?

Die Gefahren hängen eng mit der Situation der Pressefreiheit in den jeweiligen Ländern zusammen. Aber es gibt auch besondere Risiken für Klimajournalist:innen. Sie haben es oft mit mächtigen Akteuren zu tun – etwa in der fossilen Industrie, im Bergbau, in der Holzindustrie und im Handel mit Emissionszertifikaten.

Zudem berichten sie oft an abgelegenen Orten, wo der Rechtsschutz geringer ist. Dort arbeiten teils organisierte kriminelle Vereinigungen mit privaten Unternehmen zusammen und sind in umweltschädliche Geschäfte verwickelt. Manchmal sind sogar die staatlichen Behörden involviert. Diese Kombination macht es in einigen Fällen unmöglich, darüber zu berichten. So geht wichtige Information verloren. Für Lokaljournalist:innen ist die Lage am schwierigsten, denn sie sind Teil der Community und können im Ernstfall schwerer raus aus ihrer Lage.

Wie ist die Situation im deutschsprachigen Raum?

Hier kommt es seltener zu körperlichen Angriffen. Aber es gibt viele Anfeindungen gegen Journalist:innen, die über Klimaproteste berichten – mehrheitlich von Seiten der Behörden.

Außerdem werden sie besonders im Internet mit Hass und Polarisierung konfrontiert. Das führt dazu, dass sich Journalist:innen abwenden und über andere Themen berichten. Auch, weil sie bei der Klimakrise ständig über ein deprimierendes Thema berichten.

Hinzu kommt die Krise der Nachrichtenbranche. Klimajournalist:innen sind in der Krise die ersten, die entlassen werden und sie sind die letzten, die wieder eingestellt werden. Etwa bei den US-Sendern CNBC und NPR, oder in Österreich bei Puls4, wo die Redaktion des Nachhaltigkeitsmagazins “Klimaheldinnen” gekündigt worden ist. Freiberufliche Journalist:innen springen ein, aber für sie ist der Schutz vor beispielsweise SLAPP-Klagen viel geringer. Sie haben nicht die Mittel, um die Prozesse zu führen – selbst wenn sie sie gewinnen würden.

Welche Lösungen werden im Bericht angesprochen? Und an wen kann ich mich wenden, wenn mir ein Gerichtsverfahren droht?

Viele Journalist:innen haben uns gesagt, es sei entscheidend, über ein Unterstützungsnetz zu verfügen, damit man im Ernstfall seine Chefredakteur:in oder Journalismus-Vertretungen alarmieren kann. Außerdem muss man gut vorbereitet sein, die Risiken und das Sicherheitsprotokoll kennen und mit Leuten vor Ort zusammenarbeiten, die vermitteln können. Was SLAPP-Klagen angeht, sollte man natürlich sorgfältig arbeiten und sich Notizen zu jedem Interview machen, das gesamte Begleitmaterial aufbewahren und nach Möglichkeit eine Ton-Aufnahme machen. Aber in manchen Fällen kommt es trotzdem zu Klagen. Dann kann man sich beispielsweise an den Rechtsdienst des Presseclubs Concordia wenden.

International ist hier auch die Organisation “Reporters Shield” tätig. Sie verteidigt vor Gericht alle, die Mitglied sind. Warum tun sie das? Weil viele Klagen keine realistischen Erfolgsaussichten haben, sondern einzig das Ziel, die Kritiker:innen aus Angst vor hohen Prozesskosten einzuschüchtern. Es ist daher wichtig, solche Klagen vor Gericht zu gewinnen.