Seit September 2019 ist Maria Jelenko-Benedikt Chefredakteurin bei den Regionalmedien Austria, die im Vorjahr 2,9 Millionen Leserinnen und Leser in Österreich erreicht haben. Zuvor war Jelenko-Benedikt unter anderem für Heute, oe24.at und krone.at in Führungspositionen tätig. Im Gespräch erzählt die gebürtige Wienerin, was sich verändert hat, seit die Regionalmedien vor einem Jahr den Klima-Kodex unterzeichnet haben – und was für die Zukunft geplant ist.
Frau Jelenko-Benedikt, vor einem Jahr haben die meisten Landesredaktionen der Regionalmedien den Klima-Kodex des Netzwerk Klimajournalismus unterzeichnet. Dieser dient als Leitlinie für eine angemessene, klare und konstruktive Klimaberichterstattung. Was hat sich seither verändert und wie haben das die Kolleginnen und Kollegen aufgenommen?
Prinzipiell positiv. Wir haben das Thema in zahlreiche Berichte einfließen lassen. Wir haben etwa versucht, Missverständnisse bei Energiemythen aufzuklären und Tipps gegeben, wie Leserinnen und Leser Energie sparen und sich nachhaltig fortbewegen können.
Wir verfolgen auch stark bestimmte politische Themen, die für unsere Zukunft und den Green Deal wichtig sind. Beispielsweise das Renaturierungsgesetz. Hier haben wir mehrmals berichtet, weil Österreich das Zünglein an der Waage ist. Oder über den Bodenschutz, da die Gemeinden in einer Art Haltungspapier noch immer die 2,5-Hektar-Grenze boykottieren. Das beobachten wir laufend.
In unserem Haus haben wir zudem die Serie „Runde der Regionen“. Dort greifen wir aktuelle Themen auf einer Podiumsdiskussion auf, in der es auch oft um Nachhaltigkeitsthemen geht – etwa um Bodenschutz.
Wie beurteilen Sie selbst die Klima- und Umweltberichterstattung der Regionalmedien?
Ich würde die Schulnote 2 vergeben. Es gibt sicherlich noch Luft nach oben. Ich wünsche mir etwa einen eigenen Kanal zum Thema Umwelt, aber das ist bei uns schwierig. Hier gibt es technische Strukturen im Hintergrund. Aber wir fassen Umweltthemen auch in Themenkanäle zusammen, die dann auf Google gut ranken.
Mittlerweile habe ich jedenfalls gemischte Gefühle bezüglich eines eigenen Klima-Ressorts. Ich meine, dass in jeder Berichterstattung, bei vielen Themen, für Klima- und Umweltthemen Platz sein muss. Denn die Regionalmedien berichten über das, was in ihrer Umgebung passiert und es betrifft uns in allen Lebensbereichen – egal ob ein neuer Radweg oder Tipps zum Mülltrennen. Da wäre es kontraproduktiv, das Klimathema auszuklammern. Ich sehe es vielmehr in der Mitte der Berichterstattung.
Was ich allerdings durchgesetzt habe: Wir haben ein Ressort gehabt, das früher „Motor“ heiß. Mittlerweile habe ich es auf „Mobilität“ umbenennen lassen, da ich es nicht mehr zeitgemäß fand. Denn es wurde vor allem über Autos berichtet. Ich habe die Ressortleiterin vor einem Jahr dann angehalten, E-Autos und auch andere Gefährte wie Roller oder ein cooles Fahrrad hineinzunehmen.
Vor Ihrer Rolle als Chefredakteurin bei den Regionalmedien haben Sie lange für Boulevardmedien gearbeitet. Ist die Klima- und Umweltberichterstattung mitunter zu wissenschaftlich und könnte sich hier von Boulevardmedien etwas abschauen?
Bei uns erklären wir etwa auf der Seite „Gut zu wissen“ komplexe Zusammenhänge einfach. Es hat keinen Sinn, das wissenschaftlich abzuhandeln. Das Renaturierungsgesetz ist zwar etwas komplexer, aber man kann leicht beschreiben, wie wichtig es für uns ist: Flüsse brauchen einen natürlichen Lauf, damit Auen entstehen, die Kühlung funktioniert und der Boden Wasser speichern kann.
Wir berichten nicht über das globale Klima, außer es ist im Zusammenhang wichtig. Wir fokussieren auf das, was man als Einzelne oder Einzelner für ein besseres Klima leisten kann.
Welche Klima- und Umweltthemen werden in den Regionalmedien besonders gerne gelesen?
Bauvorhaben emotionalisieren immer wieder. Ich sehe, dass die Menschen hier sehr sensibilisiert sind und merken: Das geht nicht mehr so weiter. Aber auch Recycling wird bei uns gut gelesen und Mülltrennung. Also die Dinge, die jede und jeden selbst betreffen.
Lokaljournalist:innen sind oft Generalist:innen und seltener Fachjournalist:innen. Wie stellen Sie sicher, dass ihre Mitarbeitenden bei den Regionalmedien ausreichend informiert sind über die Klimakrise und das Artensterben?
Es ist nicht so, dass wir irgendwelche großen Papiertonnen an die Bundesländer schicken und sagen, lest euch das durch. Aber nachdem Klimaschutz etwas ist, das bei uns Umweltschutz ist – denn wir denken in kleineren Schritten – sind es Dinge, die die Menschen sehr wohl verstehen. Ich glaube, da braucht es kein so großes Vorwissen, wenn es um Recycling, Mülltrennung oder Artensterben geht.
In größere Themen wie beim Renaturierungsgesetz versuche ich mich als Chefredakteurin hineinzudenken. Diese Themen kommen aus der österreichweiten Redaktion, also von mir.
Was planen die Regionalmedien in Zukunft für die Klima- und Umweltberichterstattung?
Wir haben Anfang Juni eine eigene Schwerpunkt-Ausgabe zum Thema Nachhaltigkeit veröffentlicht. Das soll auch in den nächsten Jahren jährlich geschehen – auch um zu sensibilisieren, wie sich die Redakteure damit befassen. Zudem werden wir weiter in unseren Podiumsdiskussionen auf nationaler Ebene das Thema aufgreifen und mit Experten in den Diskurs gehen. Und der Kanal „Gut zu wissen“ soll weiter ausgebaut werden.
Werden sich die Regionalmedien in absehbarer Zeit von klimaschädlicher Werbung verabschieden oder diese zumindest als solche kennzeichnen? Oder ist dies aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage im Journalismus nicht denkbar? Anfang Mai hat etwa eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung für Deutschland gezeigt, dass ein Drittel der Werbung im Fernsehen Produkte bewirbt, die dem Klima schaden. Die Studienautor:innen empfehlen daher Warnhinweise oder die Werbung erst gar nicht zu schalten.
Ich glaube, dass sich die Verlagshäuser nicht leisten können, auf bestimmte Werbung zu verzichten. Aber ich fände die Idee begrüßenswert, dass klimaschädliche Werbung als solche ausgewiesen wird. Denn ich finde, dass die Produzenten oder Händler in der Bringschuld sind und nicht wir, die Medien, die Leidtragenden sein sollen. Wenn sie es nicht schaffen, klimafreundlich zu produzieren, dann sollen sie europaweit verpflichtet werden, dass ihre Produkte als nicht-klimafreundlich gekennzeichnet werden.