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Interviews

ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary: “Die Klimathemen liegen bei mir vor der Haustüre”

Karim El-Gawhary leitet seit 2004 das ORF-Büro in Kairo und berichtet aus dem gesamten arabischen Raum. Im Gespräch erzählt er von seiner ersten Weltklimakonferenz, was sich mit der COP für Ägypten ändert, und wie er die Klimaberichterstattung des ORF einschätzt.

Was ist Ihnen von der COP27 besonders in Erinnerung geblieben?

Wie wahnsinnig bunt die Konferenz ist. Nicht nur die Leute aus aller Welt, sondern auch die vielen Themen. Die Konferenz war anders, weil es diesmal mehr um die Perspektive des Südens ging. Besonders wichtig fand ich den Verhandlungspunkt zu loss and damage (Anm.: Ein Fond als Schadensersatz für Klimaschäden und –Verluste). Die Industriestaaten haben das Thema wie der Teufel das Weihwasser gemieden. Es wurde dann zwar auf die Tagesordnung genommen, aber Verpflichtungen sind daraus keine entstanden.

Für mich als Ägypten- und Nahost-Korrespondent war eines der Highlights, dass die politischen Gefangenen ein großes Thema auf der COP waren. Auch Alaa Abdel Fattah, der im Gefängnis aus Protest nichts getrunken hat. Ein weiteres Highlight waren die österreichischen Jugenddelegierten. Ich habe sie mehrmals getroffen und es hat mich beeindruckt, wie gut sie sich mit den Themen dort auskennen.

Ich bin zwar kein Klimajournalist, aber in meiner Gegend spielt das Klima eine wichtige Rolle. Es kommt immer wieder in meiner Berichterstattung vor. Wir sind beispielsweise im Vorfeld der COP in Irak einmal quer durchs Land gefahren. Der Irak ist laut UNO von der Klimakrise das fünftmeistbetroffenste Land. Vor allem die Wasserknappheit ist dort ein großes Thema.

Wie haben Sie die Berichterstattung der ägyptischen Medien erlebt?

Der Klimawandel war dort nie ein großes Thema. Die Krisen der Tagespolitiker waren einfach viel akuter. Mit der COP hat sich das sicherlich geändert. In den Köpfen der 100 Millionen Ägypter ist angekommen, dass wir da ein echtes Problem haben. Über Menschenrechte und politische Gefangene wurde in den offiziellen Medien aber nicht berichtet.

Wie beeinflusst die Klimakrise Ihre Berichterstattung als Nahost-Korrespondent?

Er spielt eine immer größere Rolle. Die Klimathemen liegen bei mir vor der Haustüre. Hier ist die Erderwärmung disproportional stärker als im globalen Durchschnitt. Wir waren im Irak, haben aus Ägypten über Küstenerosion, den steigenden Meeresspiegel und die Versalzung des Nildeltas berichtet. Fast immer geht es um Wasser, Sandstürme und die zunehmende Hitze.

Wie beurteilen Sie die Klimaberichterstattung des ORF?

Das Interesse an der COP war beim ORF relativ groß. Aber durch die zeitgleichen Ergebnisse der US-Midterm Wahlen wurde die Berichterstattung zwei bis drei Tage lang fast lahmgelegt. Vom Radio waren noch Nadja Hahn und Christian Lininger hier. Die beiden sind seit Jahren auf Klima-Themen spezialisiert, was dem ORF gut tut. Wir hätten aber durchaus mehr Leute zur Klimakonferenz schicken können.

Andererseits muss man aufpassen, dass man die Leute nicht mit zu vielen Klimabeiträgen überfordert. Wir sollten deshalb nicht die Berichterstattung bei Klimakonferenzen hochfahren, sondern übers Jahr hinweg konsistenter darüber berichten.