Die Umweltsystemwissenschaftler:innen Marie Kogler und Stefan Ringhofer untersuchen mit dem FWF-geförderten Forschungsprojekt REASON an der Universität Graz, wie unterschiedliche Arten der Klimakommunikation psychologische Reaktionen und die Absicht zu klimafreundlichem Verhalten beeinflussen. Im Interview mit Marie Ritter sprechen sie über erste Ergebnisse und welche Folgen diese für die zukünftige Klimaberichterstattung haben könnten.
Wie nehmt ihr aktuell die emotionale Grundstimmung in Österreich im Hinblick auf die Klimakrise wahr – gibt es Klimaemotionen, die besonders präsent sind?
Ringhofer: Grundsätzlich sind alle Emotionen stark vertreten. Besonders auffällig ist gerade die wachsende Klima-Verdrossenheit. Diese scheint mir vor allem eine Reaktion auf die Flut an Klimainformationen zu sein, mit der man konfrontiert wird. Dieser Überdruss ist auch im globalen Kontext spürbar. Der Trend geht wieder stärker Richtung Skeptizismus gegenüber den Klimaschutzmaßnahmen – weg vom Klimaschutz.
Wie erklärt ihr euch diese Entwicklung?
Kogler: Seit 2014 hat die Berichterstattung von Klimawandel gefolgt von Klimaschutz einen Aufschwung erlebt und ist in den Medien und in der gesellschaftlichen Mitte deutlich präsenter geworden. Ab 2020 hat sich die mediale Aufmerksamkeit auf einem relativ hohen Niveau stabilisiert. Klimawandel ist heute kein Nischenthema mehr, sondern es ist im medialen Alltag angekommen und deshalb steigen auch die Emotionen. Noch in diesem Jahr wird an unserem Institut eine Masterstudie zum Thema „climate news avoidance“ (Vermeidung von Klimanachrichten) durchgeführt. Sie untersucht, warum gewisse Personen kein Interesse mehr am Klimawandel zeigen oder dieses nie entwickelt haben. Meine Hypothese ist, dass Klimaemotionen da eine große Rolle spielen.

In der Grafik wird zwischen Klimawandel und Klimaschutz unterschieden. Wie ist mittlerweile das Verhältnis in der Berichterstattung?
Kogler: Die Berichterstattung zu Klimawandel und Klimaschutz hält sich inzwischen ungefähr die Waage, auch wenn sie unterschiedliche Schwerpunkte haben. Elektromobilität ist ein Beispiel, das fast ausschließlich in Klimaschutzdebatten zur Sprache kommt.

Kommen wir zu eurer Untersuchung[1]. Was war das Ziel und wie lief sie ab?
Ringhofer: Das Ziel war, zu untersuchen, wie lösungs- und bedrohungsorientierte Botschaften bei Handlungen wirken, die sehr große Auswirkung auf die Emissionsreduktion haben. Also Handlungen, die mit gewissen persönlichen Kosten verbunden sind und dem Klima etwas bringen, wie zum Beispiel der Verzicht auf Fleisch oder weniger Fliegen. Zuallererst haben wir in Kooperation mit dem Institut für Sprachwissenschaften der Uni Wien die bedrohungs- und lösungsorientierten Statements auf Basis von bestehenden Zeitungsartikeln entwickelt und dabei versucht, den journalistischen Stil nachzuahmen.
Im Fokus eurer Studie standen die drei psychologischen Mechanismen Hoffnung, Selbstwirksamkeit und Klimaangst. Warum habt ihr gerade diese Emotionen gewählt?
Ringhofer: Das liegt daran, dass es die bestuntersuchten Mechanismen in der Literatur sind. Es gibt sehr viel Forschung, die zeigt, dass die drei Mechanismen durch verschiedene Botschaftsarten beeinflusst werden und auch einen Einfluss auf die klimafreundliche Verhaltensintention haben.
Welche anderen Emotionen könnten im Hinblick auf den Klimawandel noch interessant sein?
Kogler: Trauer soll ein unglaublich guter Hebel sein: der Verlust von Tierarten und Dingen, die wir liebgewonnen haben. Das ist ganz anders als Bedrohung. Ja, es sind Ängste. Ja, da ist Wut. Ja, da ist auch Hoffnung. Aber diese Trauer, ich glaube, da können wir viele Sachen auch noch neu betrachten – gerade bei Klimaschutzmaßnahmen.
Was sind die Ergebnisse der Studie?
Ringhofer: Ein sehr wesentliches und spannendes Ergebnis ist sicher, dass die Botschaftsart keinen direkten Einfluss auf persönliche Verhaltensweisen hat, unabhängig davon, ob es eine lösungs- oder bedrohungsorientierte Botschaft oder einfach die Kontrollbotschaft ist.
Stattdessen spielen die zugrundeliegenden psychologischen Mechanismen eine sehr große Rolle. Zum einen ist das die Klimaangst, die in moderatem Maß als starker Motivator wirken kann. Zum anderen hat sich die Selbstwirksamkeit als wichtigste Triebkraft für die Handlungsbereitschaft herausgestellt. Also die Überzeugung, dass mein Beitrag wirklich eine Wirkung hat.
Kogler: Somit hat die Studie den Blick verlagert von „Welche Botschaft ist besser?“ hin zu „Welche psychologischen Mechanismen und Formate sind überhaupt entscheidend, wenn es um große, wirksame Schritte geht?“
Während Selbstwirksamkeit und Klimaangst aktivierend wirken können, zeigte sich aber, dass Hoffen nicht ins Handeln führt. Warum ist das so?
Ringhofer: Hoffnung hat das Problem, dass es eher eine positive Emotion ist. Das heißt, ich fühle mich hoffnungsvoll, ich fühl mich gut. Was fehlt, ist diese antreibende Komponente, die sich eher durch die Selbstwirksamkeit widerspiegelt.
Geht der Ruf nach lösungsorientiertem Journalismus dann in die falsche Richtung?
Kogler: Es ist kompliziert. Klimaangst kann ein Motor anstatt einer Bremse sein. In unserer Studie haben wir gesehen, dass sie nicht problematisch sein muss. Das Maß ist entscheidend: Texte, die nur warnen und in einen Alarmismus hineinfallen, überfordern; Texte, die nur Lösungen präsentieren, wirken zu glatt. Man muss schon die Tatsachen schildern, Handlungsmöglichkeiten vermitteln und ganz spezifisch Selbstwirksamkeit ausdrücken.
Also braucht es den Mix aus Bedrohung und Lösung.
Kogler: Genau, es braucht beides zusammen. Die offene Frage ist nun, was man im Bereich der Klimakommunikation tun kann, wenn jemand die Selbstwirksamkeit nicht mitbringt. Das ist so schwierig, weil bislang die Antwort war, dass lösungsorientierte Botschaften das eigentlich bekräftigen sollten. Unsere in der Untersuchung verwendeten Textbotschaften waren keine, die die Lösungen auf eine CEO oder irgendeinen Politiker abwälzen, sondern es ging eher darum, was wir im Kleinen tun können, um die Selbstwirksamkeit in einem Text auszudrücken. Die Bedrohungsbotschaften zeigen indirekt spürbare Effekte, solche Lösungsbotschaften über was man selbst tun kann aber nicht.
Könnte ein Ansatz sein, dass der Fokus nicht auf der Lösung selbst, sondern auf der Umsetzung liegen sollte?
Kogler: Das ist oftmals der Grund, warum die Lösung nicht greift. Eine Journalistin der Krone-Zeitung meinte mal zu mir, dass die Leute noch immer nicht wissen, was der Klimawandel ist. Nach ihr kann man das nicht voraussetzen. Das ist das eine Problem. Wo starten wir? Wo können wir die Leute abholen? Ist es wirklich mit einer Anleitung, wie ich das praktisch umsetzen kann, getan oder braucht es einen ganz anderen Hebel?
Die Literatur zeigt eindeutig, dass es nur mehr Informationen nicht sind. Eine Gesellschaft ist nicht informierter und wird informierte Entscheidungen treffen, wenn ich ihr so viele Informationen wie irgendwie möglich bereitstelle. So sind wir nicht. Und das wissen wir eigentlich auch alle. Wir haben Emotionen und Bedürfnisse. Es sind eben nicht nur Informationen, die uns ausmachen – wir brauchen eine Kombination. Und das in die Medienberichterstattung zu übertragen, ist unglaublich schwierig, weil da eine eigene journalistische Logik und Ethik herrscht. Da lassen sich keine Anweisungen geben, wie man was zu tun hat. Wir brauchen eine unglaublich differenzierte, sehr nahe am Menschen liegende Klimakommunikation. Damit die Leute sehen, dass es ernst ist. Erst wenn ich sehe, dass es meinen Nachbarn und Freunden ernst ist – Menschen, die ich respektiere, spüre ich, dass ich tatsächlich was bewegen kann, weil ich Teil einer Gruppe bin. All das ist der human factor. Das ist die Quintessenz der Studie. Reine Textbotschaften berühren die Leute oft nicht stark genug.
Bräuchte es demnach neben der Medienberichterstattung viel mehr Orte des direkten Austausches?
Ringhofer: Ja, ich denke, dass interaktive, aber auch multimediale Tools viel bewirken könnten und gute Transportmedien sind, die Menschen auf einer tieferen emotionalen Ebene anzusprechen. Das kann ein Comic oder Video sein. Wichtig scheint mir dabei, die kollektiven Handlungsmöglichkeiten hervorzuheben.
Kogler: Genau. Es sind nun mal doch Geschichten, die Menschen emotional packen und auch die Handlungswege realer werden lassen. Was dann da reinspielt, ist die starke Politisierung in unserer Gesellschaft. Die, die jetzt noch nicht an Bord sind, fühlen sich ausgegrenzt. Wir haben eine Kluft. Und diese Kluft entsteht, weil einzelne Gruppen extrem urteilen und drüberfahren. Wir müssten schon Polarisationsabbau betreiben, um den Klimawandel spür- und erfahrbar machen und Klimaschutz auch umsetzen zu können.
Was sind neben der Reduktion von Polarisierung noch wichtige Zutaten für konstruktive Klimaberichterstattung?
Kogler: Ich habe eine Grafik erstellt. (siehe Abbildung unten) Meiner Meinung nach, wäre das zum einen das Ansprechen von Fairness. Das ließe sich medial gut machen und wurde bisher meines Erachtens nicht oft genug getan – etwa mehr über Verteilungsgerechtigkeit zu sprechen. Ich glaube, dass sich viele Leute dadurch eher aufgefangen fühlen würden. Da gibt es viel Literatur dazu, z.B. die Oxford-Studie, die sich mit den 23 von 50 Reichsmilliardären und ihre Aktivitäten beschäftigt. Was die zur Erwärmung beitragen, ist wirklich horrend. Und das, finde ich, gehört breitgetreten. Das gibt es doch nicht. Es gilt, das oberste 1 Prozent beim Namen zu nennen.
Eine weitere Zutat ist die Wiederholung. Wir müssen in dem Diskurs schauen, dass unsere Narrative der Unterstützer und Advokaten für Klimaschutz immer wieder wiederholt werden. Sonst werden wir niederzementiert von einer Welle an Verschleppungsdiskursen, Chatbots oder anderen Akteuren, die Klimaschutz als unwichtig erachten. Klimaschutz muss in der Mitte der Gesellschaft bleiben und darf sich nicht vertreiben lassen.

Darunter fällt dann auch die ständige Wiederholung, was Klimawandel überhaupt ist?
Kogler: Ich sag immer, man trifft sich am besten beim kleinsten gemeinsamen Nenner, dort wo die andere Person mir noch zustimmen kann. Das ist teilweise nur, „Die Natur ist mir wichtig“. Oder vielleicht auch nur „Wenn ich mit dem Auto fahre und es kommt ein Hindernis, dann bremse ich doch“. Auch im Klimaschutz geht es um ein vorausfahrendes herausschauendes Denken – Wir bremsen bestimmte Prozesse ab, da wir das potenzielle Hindernis vor der Kurve noch nicht sehen können. Man muss die Leute dort abholen, wo sie gerade gedanklich stehen, womit sie sich identifizieren können. Das sind oft Dinge, die gar nichts mit Klimaschutz zu tun haben – vielleicht ist es das Gesundheitswesen oder die Vorsorge oder Geld sparen oder der Wunsch nach einer gewissen Normalität.
Was meint die Zutat „Diversität“?
Kogler: Meine Art Klimakommunikation zu betreiben ist nicht deine Art, ist nicht Stefans Art. Wir alle haben unseren eigenen Stil. Es gibt Leute, die mir nicht so gerne zuhören, dafür vielleicht aber dir. Oder die vielleicht von der medialen Debatte gerade nicht so viel halten, aber vielleicht in die sozialen Netzwerke gehen, wo sie dann einen Post lesen von einem Verwandten. Wir brauchen einen gewissen Orkan an Stimmen, dahinter kann mal die Logik der Politik liegen, mal die vom Marketing, Journalismus oder der Wissenschaft, es sind ganz unterschiedliche Zählformen. Die braucht es alle.
Kommen wir zur Zutat „Vernetzung“. Wie gelingt die am besten?
Kogler: Ich glaube, ihr als Plattform (Netzwerk Klimajournalismus Österreich) seid schon mal Gold wert. Man braucht eine Gruppe, den human factor, um sich auszutauschen, zu stärken und sich nicht alleine zu fühlen. Wir wissen, dass Netzwerke letztendlich das sind, was langfristig Stabilität bringt.
Fällt darunter auch, dass in der Berichterstattung mehr auf bestehende Plattformen und Netzwerke hingewiesen werden sollte?
Kogler: Einerseits, ja natürlich. Andererseits dürfen die Netzwerke nicht in sich geschlossen sein. Der Kontakt nach außen darf nicht verloren gehen. Wir wollen ja, dass alle miteinander ins Gespräch kommen und Polarisierung reduziert wird.

Ein großes Learning in der Berichterstattung war bisher humanize, solutionize und localize? Sollten Journalist:innen weiter darauf zurückgreifen?
Kogler: Ja, das finde ich schon richtig gut, aber nur als grundsätzliche Anweisung. Diversifizieren bleibt wichtig. Ich bekomme immer wieder junge Personen mit, die in die Klimakommunikation gehen wollen und nach einem Anleitungsfaden fragen. Denen würde ich immer raten, dass sie ihr Ding machen sollen, das, was authentisch ist.
Wenn ihr euch im Hinblick auf die Klimaberichterstattung etwas wünschen könntet, was wäre es?
Kogler: Schön wäre es, wenn es verpflichtende Nachschulungen für Journalist:innen angrenzender Bereiche gäbe, damit alle das Grundwissen zum Klimawandel haben. Dadurch ließe sich dem Verschleppungsdiskurs, der teilweise noch 50 Prozent einnimmt und meist von politischen Akteurinnen und Akteuren betrieben wird, kritischer entgegentreten.
[1] Die Untersuchung wurde als Online-Umfrage durchgeführt. Teilnehmende wurden zufällig einer von drei Gruppen zugewiesen: einer lösungsorientierten, einer bedrohungsorientierten oder einer neutralen Kontrollbedingung. Jede Gruppe erhielt neun Textaussagen, die entweder lösungsbezogene Maßnahmen, bedrohliche Folgen des Klimawandels oder neutrale Informationen ohne Klimabezug thematisierten. Die Aussagen wurden im Vorfeld mit einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe aus Österreich auf ihre intendierte Wirkung hin getestet. Nach der Präsentation der Aussagen erfolgte eine Erhebung der psychologischen Konstrukte (Hoffnung, Selbstwirksamkeit, Klimaangst) sowie der Absicht, sich klimafreundlich zu verhalten. Insgesamt nahmen 1.515 Personen im Alter von 18–69 Jahren teil. Die Stichprobe war hinsichtlich Geschlecht, Alter und Bildung quoten-repräsentativ für die österreichische Bevölkerung.
